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„Besser wäre der 9. November“

FDP-Vorsitzender Ralph Böwingloh

Was bedeutet Ihnen der „Tag der Deutschen Einheit“?

Die Deutsche Einheit bedeutet mir sehr viel. Somit auch der 3. Oktober, auch wenn das Datum m. E. sehr unglücklich ausgewählt wurde. Denn denke ich an den Tag der Deutschen Einheit fällt mir zuerst immer der 9. November ein. Ich habe 1990 im Alter von 16 Jahren schon nicht verstehen können warum man nicht den 9. November zum Feiertag bestimmt hat. Am 3 Oktober 1990 wurde vollzogen was am 9. November 1989,mit der Öffnung der Grenzen der DDR den Anfang genommen hatte. Nach wie vor plädiere ich dafür den 9. November auf Grund seines geschichtlichen Hintergrundes, (er markiert den Beginn der ersten deutschen Republik 1918, das furchtbare Progrom gegen die jüdische Bevölkerung 1938, und den Fall der Berliner Mauer 1989) zu einem umfassenden Gedenktag zu machen.

Welche Erinnerungen/Verbindungen haben Sie an die/ zur ehemaligen DDR?

Ich habe Freunde die kurz nach der Wende, in sehr jungen Jahren mit Ihren Eltern in unsere Region gezogen sind und sich hier ein neues Leben aufgebaut haben. Ansonsten bleibt mir das Jahr 1989 mit seinen turbulenten historischen Ereignissen in guter Erinnerung. Schon als Kind und Jugendlicher habe ich mich sehr für Geschichte und Politik interessiert. Und im Jahr 1989 konnte ich den Hauch der Geschichte spüren, das war eine sehr spannende und prägende Zeit, wo ich gerne „live“ dabei gewesen wäre, statt nur indirekt vor dem Fernseher.

Ich denke da an die Feiern zum 40. Jahrestag der untergehenden DDR, die Gorbirufe der Bevölkerung vor dem Palast der Republik, der Sturz Honeckers, die Leipziger Montagsdemos, kurzum die erste friedliche Revolution in der deutschen Geschichte. Da möchte ich auch noch einmal den besonnenen Sowjetführer Michail Gorbatschow erwähnen welcher 1985 mit Glasnost und Perestroika diese erst ermöglichte.

Ist in 30 Jahren zusammengewachsen was zusammengehört, um die legendären Worte des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt zu zitieren?

Ja und Nein. In vielen Teilen Ostdeutschlands kann man heute die „blühenden Landschaften“ die Helmut Kohl damals ein wenig zu vollmundig versprochen hat bewundern. Jedoch die Tatsache das wir 30 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch von Ossis und Wessis sprechen widerspricht leider dem „Brandt-Zitat“.

Es wurden in den 90er Jahren leider auch viele Fehler gemacht. Ich denke da zum Beispiel an die Treuhandanstalt, die oft zu schnell Betriebe im Osten, die eine Chance verdient gehabt hätten abgewickelt hat. Die in meinen Augen falsche Entscheidung, an „Rückgabe vor Entschädigung“ welche oft wohlhabenden Westdeutschen, die vor dem Mauerbau die DDR verlassen haben, zu sehr begünstigte. Das sind zwei entscheidende Gründe warum die Innere Einheit auch nach 30 Jahren noch nicht geglückt ist. Auf der westdeutschen Seite haben Steuererhöhungen und der Soli zur Abde- ckung der Einheitskosten bis heute (bei gleichzeitig immer desolater werdender Infrastruktur im Westen) auch nicht gerade dazu beigetragen dass zusammen wächst was zusammen gehört. Ich persönlich habe auch manchmal wenig Verständnis dafür, das viele Ostdeutsche sich immer noch als Wendeverlierer sehen und Parteien wie die AfD in den neuen Bundesländern so stark sind.

Daher mein Appell an „alle Deutschen in Ost und West“ uns auf unsere Gemeinsamkeiten zu konzentrieren und dem Neid und Hass keine Chance zu geben, und weiterhin daran zu arbeiten das zusammen wächst was zusammen gehört.

Was konnten Ihrer Meinung nach die „Wessis“ von den „Ossis“ in den vergangenen drei Jahrzehnten lernen?

Improvisieren, die Bürger der DDR waren sehr erfinderisch, und haben in einer Mangelwirtschaft oft erstaunliches produziert. Unnachgiebig für die Rechte nach Freiheit und Demokratie zu kämpfen. Eine Eigenschaft die wir alle für die Zukunft beherzigen sollten, denn diese ist nicht selbstverständlich.

Das sehen wir gerade in der Gegenwart, wir befinden uns doch International längst wieder in einem Klima ähnlich des „Kalten Krieges“ vor 1990. Unsere Gesellschaft war aus vielfältigen Gründen selten so gespalten wie heute. Daher mein Appell, lernen wir aus der Geschichte, kämpfen wir dafür das Diktatur, Hass und Willkür niemals mehr in Europa eine Chance hat. Der Kampf für Demokratie, Freiheit und Menschenwürde lohnt sich immer.

Dieses Interview erschien im Original am 07.10.2020 im Stadtmagazin „Unser Rietberg“.


7. Oktober 2020

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